08/12/2009 21:25:06
Neulich habe ich bei ebay rumgeguckt und geriet über eine alte Postkarte aus Paris in eine Kategorie mit alten Briefen. Und eh ich mich versah, hatte ich insgesamt etwa 70 alte Liebesbriefe ersteigert!! Sie sind größtenteils aus der Zeit von 1887 bis 1888. Sie sind ein Briefwechsel von Wilhelm Sickel in Zerbst und seiner Verlobten Lisbeth, eigentlich Elisabeth Kalkoff in Zschopau/Sachsen. Und sie sind soooo schön!!!!

Wilhelm kann man googeln. Er war damals 41, Gymnasiallehrer mit Doktortitel an einer Klosterschule, später hat er offenbar ein paar historische Bücher verfasst und wurde Professor. Seine Verlobte und spätere Frau war 20, dann 21. Ein ziemlicher Altersunterschied und man könnte denken, die Hochzeit war von ihren Eltern arrangiert oder so. Aber die Briefe sagen mehr als 1000 Worte!! Die beiden haben sich soooo geliebt!

Seine Schrift kann ich gut lesen, ihre nicht so gut. Beide schreiben in Kurrentschrift, dem Vorläufer von Sütterlin. Hab ich im Studium mal gelernt, aber, naja, ich kann nichtmal die Schrift meiner Kollegin richtig lesen…. Es sind von Wilhelm aber wesentlich mehr Briefe da als von Lisbeth. Sie sind in kleinen Umschlägen, noch mit Briefmarken, auf vergilbten Papier, teilweise mit gepressten Blumen und einmal mit der Hochzeitsanzeige. Im Juni oder Juli 1887 haben sie sich wohl kennengelernt, an Ostern 1888 haben sie geheiratet. Happy End!!!!

Er schrieb z.B.:
Meine liebe, teure, einzige Herzens-Lisbeth!
Nun sind sie vorüber, die schönen wonnigen Stunden, mein herzlieber Schatz, in denen wir wieder einmal nach langer Trennung uns hatten, nach Herzenslust nur herzen und küssen durften und so glücklich waren. Nun beginnt das ungestillte Sehnen wieder und das Hoffen auf zukünftige glückliche Tage. Doch wird uns das selige Bewusstsein unserer herzlichen, innigen Liebe auch über die Zeit dieser neuen Trennung hinweghelfen. Ich küsse Dich in Gedanken tausend Mal, Du wonniger, lieber, einziger Schatz!...Ich bin so hingerissen von diesen Briefen, dass ich Euch das schreiben musste!

Sie schreibt z.B.:
Mein theurer Herzens-Wilhelm!
Dein heutiger Brief machte mich wieder so glücklich und selig! Ich kann Dir, Herzel, gar nicht genug danken für Deine große Liebe und es wird stets mein innigstes Bestreben sein, sie Dir nach Kräften zu vergelten, Du lieber, guter Schatz!...
Sie schreiben in diesem einen Jahr, das nur von wenigen Treffen unterbrochen wird, auch viel über die Freunde, Eltern, Verwandschaft, später sprechen sie darüber, welche Möbel sie für die neue Wohnung bestellen… Und immer wieder diese Zärtlichkeiten!! Ein bisschen habe ich sogar ein schlechtes Gewissen, dass ich so intime fremde Briefe lese.

Ich könnte in diesen Briefen versinken!!!! *schmacht*
Ein kleiner Teil der Briefe ist aus der Zeit um 1912-1918. Hier schrieben sich die Eheleute während einer beruflichen Trennung. Und die Briefe sind noch immer so voller Liebe!!!! Sie haben drei Kinder, von einer Tochter namens Elisabeth sind auch 2 oder 3 Briefe dabei, an und von ihrem Freund. Der ist aber ein großkotziger Idiot.

Aber Wilhelm schreibt 1918 an seine Frau Elisabeth, 30 Jahre nach der Hochzeit:
Dir, mein lieber Herzensschatz, wünsche ich, dass Du alle die Strapazen und […] bald überwunden hast. Wie schön wird es sein und wie freue ich mich drauf, dass wir erst wieder beieinander sind… In herzlicher Liebe mit Kuß, Dein Wilhelm
Hach *seufz* Sowas, solch eine Liebe, wünschen wir uns doch alle. Oder?
